Dorfstille

Holunderduft liegt auf der Dorfesgasse -
die Hüttenfenster gleißen sonnenbunt.
Die Büsche schatten breit - es fliegen blasse
und volle Blüten schwebend hin im Rund.
Die Kirche ragt im goldengrünen Dämmern
der Linden, die sie überdrängen breit.
Nur aus verlorner Ferne dringt ein Hämmern,
als sei's der Herzschlag dieser Einsamkeit...
Sonst alles klangtot! und die Mittagstille
liegt wie mit erz'nen Flügeln überm Land -
ich glaube fast, man hört es, wenn die Hülle
der Blätterknospen sprengt ihr bräunlich Band...
Ich glaube fast, man hört es, wenn im Neste
die Schwalbe sich im Mittagsschlafe regt,
und wenn ein Bienlein durch die Lindenäste
die Würze tropfend aus den Blüten trägt...

Alberta von Puttkammer  1849-1923

Wie liegt die Welt so stille,
Als hätt' ein heil'ger Wille
Sie fest mit Schlaf umhegt;
Die weißen Nebel steigen,
Der Wind schläft in den Zweigen,
Kein Blättchen sich mehr regt.

Auf dunklen Himmelswogen
Kommt nun die Nacht gezogen
In ihrem goldnen Kahn,
Ich steh' in meinem Garten,
Als sollt ich wen erwarten –
Und geh' doch Niemand an!

Anna Ritter (1865 - 1921) 

Wir lieben die Stille

Es stört uns nicht,
wenn die Maus
bei uns spielt,
wenn der Wind im Wald
mit den Blättern raschelt -
wir fürchten uns nicht.

Indianische Weisheit

Ganz still, zuweilen wie ein Traum
klingt in dir auf ein fernes Lied.
Du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will.
Und wie ein Traum ganz leis und still
verklingt es wieder, wie es kam.

Wie plötzlich mitten im Gewühl
der Straße, mitten oft im Winter
ein Hauch von Rosen dich umweht.
Oder dann und wann ein Bild
aus längst vergessenen Kindertagen
mit fragenden Augen vor dir steht.

Ganz still und leise, wie ein Traum,
du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will,
und wie ein Traum ganz leis und still
verblaßt es wieder, wie es kam.


Cäsar Otto Hugo Flaischlen  1864-1920

Mein Leben ist wie leise See

Mein Leben ist wie leise See:
Wohnt in den Uferhäusern das Weh,
wagt sich nicht aus den Höfen.
Nur manchmal zittert ein Nahn und Fliehn:
aufgestörte Wünsche ziehn
darüber wie silberne Möven.

Und dann ist alles wieder still. . .
Und weißt du was mein Leben will,
hast du es schon verstanden?
Wie eine Welle im Morgenmeer
will es, rauschend und muschelschwer,
an deiner Seele landen.

Rainer Maria Rilke  1875-1926

In der grünen Stille

Nun sind wir draußen in der grünen Stille
Und gehen sonder Wille für uns hin.
Nur Blätter sprechen laut um uns mit Sausen.

Es jagt vor uns des Morgenwindes Brausen,
Und Baum und Blätter wollen mit ihm fliehn.
Er ist ein Reiter, einer von den Kühnen,
Und Schatten winken hinter ihm im Grünen.

Vom Haselstrauch und Eichenlaub umgeben
Sind stille Winkel, wo kein Lufthauch geht;
Wo man sich taub hinlegt vom lauten Leben,
Und wo das Gras voll Sommerwärme steht.

Die Meisen zirpen und die Gräser raunen
Und warten auf den Tag und seine Launen.
Man starrt mit ihnen in den Morgenrauch den blauen
Und küßt und könnte überm Küssen gern ergrauen.

Max Dauthendey  1867-1918

Rettende Insel

Wenn Parteien sich und Massen
Sichtbar und geräuschvoll hassen
Klingt das mir wie Meeresrauschen.
Und dann mag ich henkelltrocken
Still auf einer Insel hocken,
Die mich zusehn läßt und lauschen.

Nicht, daß ich dann etwas schürfe
Oder was dazwischen würfe
Oder schlichten wollte, nein,
Nein, ich weiß, das muß so sein.
Und ich dehne mich und schlürfe
Eingefangnen Sonnenschein.

Wechselnd laut und wieder leise
Rauscht das Meer in weitem Kreise
Mir vertraute Melodie.
Wo blind oder falsch gestempelt
Mißklang sich an Mißklang rempelt,
Windelt neue Harmonie.

Und dann schwimmt – fast ist es schade –
Noch ein Mensch an mein Gestade,
Sucht an meiner Bulle halt.
Aus ist die Robinsonade,
Denn nach Insulanersitte
Sag ich unwillkürlich: "Bitte!"
Und ein zweiter Pfropfen knallt.

Und wir trinken. Es gesellen
Andre sich dazu. Die Wellen
Glätten sich. Der Haß zerstiebt.
Bis zuletzt in süßer Ruhe
Niemand noch was in die Schuhe
Andrer schiebt,
Und sich alles gegenseitig
Eingehenkellt ganz unstreitig
Duldet, gern hat oder liebt.

Joachim Ringelnatz (1883 - 1934)

Ehe

Sie haben sich nichts zu sagen,
Sie sitzen still und stumm
Und hören die Stunden schlagen,
Die Langeweil' geht um.

Die Liebe ist längst gegangen,
Und auch das Glück ist hin,
Und hin ist das Verlangen
Mitsamt dem Jugendsinn.

Mißmut sitzt ihm zur Seite,
Die Sehnsucht sitzt bei ihr,
Und traurig alle beide,
Ach, bis zu Thränen schier.

Keins bricht das tiefe Schweigen,
Kein Laut dringt in den Raum,
Nur schwere Seufzer steigen,
Verstohlen, hörbar kaum.

Und die Gewohnheit leise
Schwingt ihren Zauberstab
Und zwingt in ihre Kreise
Die beiden still hinab.

Thekla Lingen (1866 - 1931)

Stille

Wenn ein Kranker schlummernd liegt,
Mild von Traumesarm gewiegt,
Schweigen Alle im Gemache,
Daß der Arme nicht erwache.

Leis' ihr Hauch und stumm der Mund,
Kaum berührt ihr Fuß den Grund –
Und der Kranke schlummert weiter,
Ruhbeseligt, traumesheiter.

Innig fleh' ich jetzt zu dir:
Halte du es so mit mir,
Mit dem tieferschöpften Herzen,
Das entschlummert ist voll Schmerzen.

Halb verblutet schläft es fort;
Weck' es nicht mit deinem Wort!
Trage schonendes Erbarmen
Mit dem kranken, müden, armen!

Willst du's wecken, sei's zum Glück;
Kannst du dies nicht, tritt zurück!
Gieße Gift nicht in die Neige
Meines Lebens! Schweige! Schweige!

Betty Paoli (1814 - 1894)

An den Mond

Guter Mond, du gehst so stille
Durch die Abendwolken hin;
Deines Schöpfers weiser Wille
Hieß auf jener Bahn dich ziehn.

Leuchte freundlich jedem Müden
In das stille Kämmerlein!
Und dein Schimmer gieße Frieden
Ins bedrängte Herz hinein!

Volksweise 

Ärgerlich ...

Aus der Mühle schaut der Müller,
der so gerne mahlen will.
Stiller wird der Wind und stiller,
und die Mühle stehet still.

So geht's immer, wie ich finde,
rief der Müller voller Zorn.
Hat man Korn, so fehlt's am Winde,
hat man Wind, so fehlt das Korn.

Wilhelm Busch, (1832 - 1908)


 



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