Das Leben

Schwestern, Brüder, laßt uns leben,
Leben ist gar hohes Gut,
Machet stark die freie Seele,
Frischet auf den Lebensmut!

Ist das HerzEuch so verdorben,
Daß das Leben Euch nicht lieb?
Ist das Feuer schon erstorben,
Daß der Geist Euch schwach und trüb?

O vergeudet nicht die Kräfte
In der eitlen Sinnenlust!
Werfet ab den Staub zur Erde,
Wenn Ihr Euch des Staubs bewußt!

Schließt das Leben in die Arme,
Bis es Euch zum Herzen dringt,
Laßt den Arm nicht kraftlos hängen,
Der das Gute gern vollbringt!

O die Macht, die uns gegeben,
Wer weiß, ob sie wiederkehrt?
Ob die Macht, die klein uns dünket,
Einst uns auch noch angehört?
Kindheit
Brüder, ist das Leben
Eines höhern Lebens dort.
Laßt der Kindheit würdig leben:
Gott hält uns dort droben Wort.

Friederike Kempner 1828-1904

Punschlied

Vier Elemente, innig gesellt,
bilden das Leben, bauen die Welt.

Preßt der Zitrone saftigen Stern!
Herb ist des Lebens innerer Kern.

Jetzt mit des Zuckers linderndem Saft
Zähmet die herbe brennende Kraft.

Gießet des Wassers sprudelnden Schwall!
Wasser umfänget ruhig das All.

Tropfen des Geistes gießet hinein!
Leben dem Leben gibt er allein.

 Johann Christoph Friedrich von Schiller, (1759 - 1805)

Das Leben

Von den Alten zu den Jungen
Muß das Leben wandern.
Was du gestern noch bezwungen,
Bezwingen morgen schon die andern.
Das Lied, das du gestern gepfiffen im Weitertraben,
Will schon morgen der andern Lippen haben.
Und dir entschwundene Augenblicke kannst du sehen,
Wie sie im Blut der Jungen auferstehen.
Darüber, seit ich`s erfahre, muß ich die Hände falten,
Muß leiden, daß ich mich wandle, und laß es walten.
Das Leben - ach, einst da kam es umhalsend gesprungen,
Jetzt grüßt es noch im Vorüberschweben und geht zu den Jungen.

Max Dauthendey, 1867-1918

Gehe behutsam deinen Weg
inmitten des Lärms und der Hast dieser Welt und vergiss nie,
welcher Friede im Schweigen liegen kann.
Lebe so weit als möglich und ohne dich selbst aufzugeben
in guten Beziehungen mit anderen Menschen.
Verkünde deine Wahrheit ruhig und klar.
Höre auch anderen zu, sogar Törichten und Unwissenden:
auch sie haben ihre Geschichte.
Meide laute und aggressive Menschen,
sie bringen nur geistigen Verdruß.
Es ist möglich, dass du entweder stolz
oder verbittert wirst, wenn du dich mit anderen vergleichst,
denn immer wird es bedeutendere und unbedeutendere
Menschen geben als dich selbst.
Freue dich des erreichten genauso wie deiner Pläne,
doch sei auf jeden Fall demütig.
Sei du selbst.
Heuchle vor allem keine Zuneigung und spotte nicht über die Liebe.
Trage freundlich die Bürde der Jahre
und gib mit Anmut alles auf, was der Jugend zusteht.
Nähre die Kraft deines Geistes, um plötzlichem Unglück
gegenüber gewachsen zu sein.
Viele Ängste entstehen aus Müdigkeit und Einsamkeit.
Neben einer heilsamen Disziplin sei freundlich zu dir selbst.
Du bist ein Kind des Universums,
nicht weniger als die Bäume und Sterne,
du hast ein Recht darauf hier zu sein.
Und die Kraft des Universums wird sich so entfalten,
wie es sein muss, ob es dir Klar ist oder nicht.
Deshalb lebe in Frieden mit Gott,
was immer du dir unter ihm vorstellst.
Und was immer deine eigenen Bemühungen und Absichten sein mögen:
halte Frieden in deiner Seele in diesem lärmigen Durcheinander des Lebens.
Mit allem Schein, ihren Kümmernissen und zerbrochenen Träumen
ist diese Welt dennoch wunderbar:
Sei vorsichtig. Strebe danach, glücklich zu sein.

1692 in einer Kirche in Baltimore gefunden

 Leben heißt nicht fragen.
Leben ist Antwort durch Leben und Tat. 

Bernhard von Clairvaux, (1091 - 1153)

Das fröhliche Leben

Wenn ich auf die Wiese komme,
Wenn ich auf dem Felde jetzt,
Bin ich noch der Zahme, Fromme,
Wie von Dornen unverletzt.
Mein Gewand in Winden wehet,
Wie der Geist mir lustig fragt,
Worin Inneres bestehet,
Bis Auflösung diesem tagt.

O vor diesem sanften Bilde,
Wo die grünen Bäume stehn,
Wie vor einer Schenke Schilde
Kann ich kaum vorübergehn.
Denn die Ruh an stillen Tagen
Dünkt entschieden trefflich mir,
Dieses musst du gar nicht fragen,
Wenn ich soll antworten dir.

Aber zu dem schönen Bache
Such ich einen Lustweg wohl,
Der, als wie in dem Gemache,
Schleicht durchs Ufer wild und hohl,
Wo der Steg darüber gehet,
Geht's den schönen Wald hinauf,
Wo der Wind den Steg umwehet,
Sieht das Auge fröhlich auf.

Droben auf des Hügels Gipfel
Sitz' ich manchen Nachmittag,
Wenn der Wind umsaust die Wipfel,
Bei des Turmes Glockenschlag,
Und Betrachtung gibt dem Herzen
Frieden, wie das Bild auch ist,
Und Beruhigung den Schmerzen,
Welche reimt Verstand und List.

Holde Landschaft! wo die Straße
Mitten durch sehr eben geht,
Wo der Mond aufsteigt, der blasse,
Wenn der Abendwind entsteht,
Wo die Natur sehr einfältig,
Wo die Berg' erhaben stehn,
Geh' ich heim zuletzt, haushältig,
Dort nach goldnem Wein zu sehn.

Friedrich Hölderlin 1770-1843

Regentage gibt's auf Erden,
Doch der schönen gibt es mehr;
Will man da gleich mutlos werden,
Ach, so fehlt man gar so sehr
Nur mit Ruhe sich ergeben,
Und es lacht ein lichter Tag;
Und noch Schön'res bringt das Leben,
Als man öfters glauben mag.

Franz Richter, (1882 - 1917)

Leben

Leben, dir hab ich vertraut!
All mein Hoffen und Regen
lief dir jubelnd entgegen
wie einer herrlichen Braut.

So voll Schönheit warst du,
so voll Wunder ohn Ende!
Nahm ich mein Herz in die Hände,
trug es gläubig dir zu.

Oft ergabst du dich nicht,
daß ich dich bitter verklagte,
wiesest du mir, wenn ich fragte,
starr dein Rätselgesicht.

Doch über Schmerzen und Graun
— ob auch das Herze mir zittert —
gläubig und unverbittert,
Leben, will ich dir traun!

Carl Busse 1872-1918

Wir segeln
in verschiedenen Richtungen
über den Ozean des Lebens;
die Vernunft ist die Karte,
die Leidenschaft der Wind.

Deutsches Sprichwort

Mit dem Leben ist es wie mit der Musik:
Beides muß statt nach Regeln mit
Phantasie, Gefühl und Instinkt komponiert werden.

Samuel Butler(1835-1902)

Endet schon des Tages Leben
und sein ganzes Glück?
Töne und Gestalten schweben
in sich selbst zurück.

Zwischen Wachen, zwischen Träumen
trinkt die Seele schon,
zugeweht aus andern Räumen,
leisen Harfenton.

Breite nun, du sternenschöne,
atemstille Nacht,
deine Schleier und versöhne
wo ein Leiden wacht.

Johann Georg Fischer 1816-1897

Daß die Reihe von Glück und Unglück

im Leben ineinander gekettet ist wie Schlaf und Wachen,

keins ohne das andre,

und eins um des andern willen,

daß alle Freude in der Welt nur geborgt ist...

Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832

Das ist mein Streit:
Sehnsuchtgeweiht durch alle Tage schweifen.
Dann, stark und breit, mit tausend Wurzelstreifen
tief in's Leben greifen
und durch das Leid weit aus dem Leben reifen,
weit aus der Zeit!

Rainer Maria Rilke, (1875 - 1926)

Man muß nie verzweifeln, wenn einem etwas verloren geht,

ein Mensch oder eine Freude oder ein Glück;

es kommt alles noch herrlicher wieder.

Was abfallen muß, fällt ab; was zu uns gehört,

bleibt bei uns, denn es geht alles nach Gesetzen vor sich,

die größer als unsere Einsicht sind

und mit denen wir nur scheinbar im Widerspruch stehen.

Man muß in sich selber leben

und an das ganze Leben denken, an alle seine Millionen Möglichkeiten,

Weiten und Zukünfte,

dem gegenüber es nichts Vergangenes und Verlorenes gibt.

Rainer Maria Rilke, (1875 - 1926)

Lied des Lebens

Flüchtiger als Wind und Welle
Flieht die Zeit; was hält sie auf?
Sie genießen auf der Stelle,
Sie ergreifen schnell im Lauf;
Das, ihr Brüder, hält ihr Schweben,
Hält die Flucht der Tage ein.
Schneller Gang ist unser Leben,
Lasst uns Rosen auf ihn streun.

Rosen; denn die Tage sinken
In des Winters Nebelmeer.
Rosen; denn sie blühn und blinken
Links und rechts noch um uns her.
Rosen stehn auf jedem Zweige
Jeder schönen Jugendtat.
Wohl ihm, der bis auf die Neige
Rein gelebt sein Leben hat.

Tage, werdet uns zum Kranze
Der des Greises Schläf' umzieht
Und um sie in frischem Glanze
Wie ein Traum der Jugend blüht.
Auch die dunkeln Blumen kühlen
Uns mit Ruhe, doppelt-süss;
Und die lauen Lüfte spielen
Freundlich uns ins Paradies.

Johann Gottfried Herder  1744-1803

Das Herz ist mir bedrückt, und sehnlich
Gedenke ich der alten Zeit;
Die Welt war damals noch so wöhnlich,
Und ruhig lebten hin die Leut.

Doch jetzt ist alles wie verschoben,
Das ist ein Drängen! eine Not!
Gestorben ist der Herrgott oben,
Und unten ist der Teufel tot.

Und alles schaut so grämlich trübe,
So krausverwirrt und morsch und kalt,
Und wäre nicht das bißchen Liebe,
So gäb es nirgends einen Halt.

Heinrich Heine 1797-1856

 

 





 

 



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