Die Spiegel

Warum werden Spiegel im Alter matt?
Weil jeder maßlos genossen hat.
Denn sind sie glücklich, die schönen Frauen,
Tun sie geschwind zu dem Spiegel schauen.
Und mußten zarte Frauen mal weinen,
Trocknen am Spiegel die Tränen, die feinen.
Immer müssen die heimlichsten Frauen
Herzenswünsche dem Spiegel vertrauen.
Wie oft habe ich einen Spiegel beneidet,
Weil meine Liebste sich an ihm weidet!
Wie oft habe ich ihren Spiegel verflucht,
Da ich warten mußte, wenn sie ihn besucht
Gar manche hat alle Männer verhöhnt
Und lächelnd nur ihren Spiegel verwöhnt.
Ich schlüge gern all' die Spiegel ein,
Sie verführen die Frau'n durch Schmeichelein.
O Gott, wenn ich selbst doch ein Spiegel war!
Denn jede trennt sich von ihm so schwer.

Max Dauthendey  1867-1918

Die Woche im Blick!

Der Mensch sieht meistens wie man spricht,
im Auge seinen Balken nicht;
und hält ihn auch noch -
das ist bitter -
im Spiegel nur für einen Splitter.

Wilhelm Busch (1832 - 1908) 

Spiegel

Wie viele Bilder sind in dir gefangen,
Du hoher, alter, goldgerahmter Spiegel.
Wie viele Lächeln blieben in dir hangen.
Wie viele Eitelkeiten schweigt dein Siegel.

O tausend Blicke, die in dir versunken.
O Hände, Leiber! die in dir verborgen.
O all die Ängste, die du eingetrunken
Von schönen Frauen, die sich alternd sorgen.

Ich ahne dich ganz angefüllt mit Dingen.
Ich fürchte oft, dein Glas müsse zerspringen
Vom ewigen Verhalten deiner Träume.
- Doch du bist tiefer als die tiefsten Räume.

Francisca Stoecklin  1894-1931

Der Spiegel

Ja Doris, du bist mir zu schön!
Hier! willst du dich im Spiegel sehn?
Da sieh! und sag mir ob ich wohl
Dich sehn, und dich nicht lieben soll?

Doch Doris, nein: du bist zu schön!
In Spiegel darfst du selten sehn:
Vielleicht möchtst du zu meiner Pein,
Ein weiblicher Narcissus seyn!

Christian Felix Weiße  1726-1804

Hinab in den rieselnden Bach.

Der Mond war auch gekommen,
Die Sternlein hinterdrein,
Und schauten so traulich zusammen
In den silbernen Spiegel hinein.

Ich sah nach keinem Monde,
Nach keinem Sternenschein,
Ich schaute nach ihrem Bilde,
Nach ihren Augen allein.

Und sahe sie nicken und blicken
Herauf aus dem seligen Bach,
Die Blümlein am Ufer, die blauen,
Sie nickten und blickten ihr nach.

Und in den Bach versunken
Der ganze Himmel schien
Und wollte mich mit hinunter
In seine Tiefe ziehn.

Und über den Wolken und Sternen,
Da rieselte munter der Bach
Und rief mit Singen und Klingen:
Geselle, Geselle, mir nach!

Da gingen die Augen mir über,
Da ward es im Spiegel so kraus;
Sie sprach: Es kommt ein Regen,
Ade, ich geh nach Haus.

Wilhelm Müller *1794 †1827

Sie faule, verbummelte Schlampe!"
sagte der Spiegel zur Lampe.
"Sie altes, schmieriges Scherbenstück!"
gab die Lampe dem Spiegel zurück.

Der Spiegel in seiner Erbitterung
bekam einen ganz gewaltigen Sprung.
Der zornigen Lampe verging die Puste:
Sie fauchte, rauchte, schwelte und ruste.

Das Stubenmädchen ließ beide in Ruhe
und doch - man schob ihr die Schuld in die Schuhe.

Joachim Ringelnatz  1883-1934

Der wahre Freund

Der ist mein Freund, der mir stets des Spiegel zeigt,
den kleinsten Flecken nicht verschweigt,
mich freundlich warnt, mich ernstlich schilt,
wenn ich nicht meine Pflicht erfüllt'.
Das ist mein Freund – so wenig wie er's scheint!
Doch der, der mich stets schmeichelnd preist,
mir alles lobt, nie was verweist,
zu Fehlern mir die Hände beut,
und mir vergibt, eh' ich bereut
– das ist mein Feind –
so freundlich er auch scheint!"

Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)



 

 

 


 



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