Rosenglaube 

Dich zieret dein Glaube, mein rosiges Kind, 
und glänzt dir so schön im Gesichte! 
Es preiset dein Hoffen, so selig und lind, 
Den Schöpfer im ewigen Lichte! 
So loben die tauigen Blumen im Hag 
Die Wahrheit, die ernst sie erworben: 
Solange die Rose zu denken vermag, 
Ist niemals ein Gärtner gestorben! 

Die Rose, die Rose, sie duftet so hold, 
Ihr dünkt so unendlich der Morgen! 
Sie blüht dem ergrauenden Gärtner zum Sold, 
Der schaut sie mit ahnenden Sorgen, 
Der gestern des eigenen Lenzes noch pflag, 
Sieht heut schon die Blüte verdorben - 
Doch seit eine Rose zu denken vermag, 
Ist niemals ein Gärtner gestorben! 

Drum schimmert so stolz der vergängliche Tau 
Der Nacht auf den bebenden Blättern; 
Es schwanket und flüstert die Lilienfrau, 
Die Vöglein jubeln und schmettern! 
Drum feiert der Garten den festlichen Tag 
mit Flöten und feinen Theorben: 
Solange die Rose zu denken vermag, 
Ist niemals ein Gärtner gestorben! 

Keller, Gottfried (1819-1890) 

R a n g s t r e i t 

Ich arme, kleine Rose, 
Ich steh an ihrem Fenster 
Und soll ihr Fenster schmücken - 
Doch ach, die Augen aller 
Sehn nur nach meiner Herrin, 

Und keines sieht nach mir hin! 
Bin ich denn nicht die Rose, 
Die Königin der Blumen, 
Warum denn schaut ihr mich nicht, 
Und schaut nur nach der Herrin? 

Strahl ich nicht rötlich schimmernd, 
Von Purpur übergossen? - 
Zwar ihre zarten Wangen 
Färbt Morgenrot, wie meine, 
Und gern, wie gerne! tauscht ich! 

Seht meine schlanken Stengel - 
Zwar schlank ist sie wohl selber, 
Und wer sie darf umfassen, 
Gern mißt er meine Dornen. 

Doch was gleicht meinen Knospen 
Im Westwind lieblich spielend? 
Und doch - als sie am Fenster 
Sich, niederschauend, beugte, 
Gewahrt ich Zwillingsknöspchen, 
Gleich meinen rund und härtlich, 
Gleich meinen halbgeschlossen, 
Gleich meinen rötlich strahlend, 
Gleich meinen leise wogend 
Und strebend nach Enthüllung. 

Doch seht im Blätterdunkel 
Den vollen Kelch der Rose, 
Mit kleinem Laub umsäumet, 
Vom Rande, voll und schwellend, 
Nach innen sanft sich wölbend, 
In holder Scham errötend, 
Ein Labyrinth von Blättern, 
Die selber sich beschattend, 
Gleich einer Grotte Dunkel, 
Sich tief und immer tiefer 
In Dämmernacht verlieren. - 

Wann saht ihr an der Herrin 
Wohl einen Reiz, gleich diesem? 
Darin mag sie mir gleichen, 
Dann will ich erst ihr weichen, 
Dann reich ich ihr die Krone, 
Und nenne sie die Rose, 
Ich sie, die Rose selber .

Franz Grillparzer (1791-1872) 

An Emilie 

Zum Garten ging ich früh hinaus, 
Ob ich vielleicht ein Sträußchen finde ? 
Nach manchem Blümchen schaut' ich aus, 
Ich wollt's für dich zum Angebinde; 
Umsonst hatt' ich mich hinbemüht, 
Vergebens war mein freudig Hoffen; 
Das Veilchen war schon abgeblüht, 
Von andern Blümchen keines offen. 

Und trauernd späht' ich her und hin; 
Da tönte zu mir leise, leise 
Ein Flüstern aus dem Zweige Grün, 
Gesang nach sel'ger Geister Weise; 
Und lieblich, wie des Morgens Licht 
Des Tales Nebelhüllen scheidet, 
Ein Röschen aus der Knospe bricht, 
Das seine Blätter schnell verbreitet. 

"Du suchst ein Blümchen!" spricht's zu mir, 
"So nimm mich hin mit meinen Zweigen, 
Bring' mich zum Angebinde ihr ! 
Ich bin der wahren Freude Zeichen. 
Ob auch mein Glanz vergänglich sei, 
Es treibt aus ihrem treuen Schoße 
Die Erde meine Knospen neu; 
Drum Unvergänglich ist die Rose. 

Und wie eine Leben ewig quillt 
Und Knosp um Knospe sich erschließet, 
Wenn mich die Sonne sanft und mild 
mit ihrem Feuerkuß begrüßet, 
So deine Freundin ewig blüht, 
Beseelt vom Geiste ihrer Lieben; 
Denn ob der Rose Schmelz verglüht - 
der Rose Leben ist geblieben." 

Wilhelm Hauff (1802-1827)

Als Allerschönste 

Als Allerschönste bist du anerkannt, 

bist Königin des Blumenreichs genannt; 

Unwidersprechlich allgemeines Zeugnis, 

Streitsucht verbannend, wundersam Ereignis! 

Du bist es also, bist kein bloßer Schein, 

In dir trifft Schaun und Glauben überein; 

Doch Forschung strebt und ringt, ermüdend nie, 

Nach dem Gesetz , dem Grund Warum und Wie. 

Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) 

Rosen pflücke, Rosen blühn, 
morgen ist nicht heut! 
Keine Stunde laß entfliehn - 
flüchtig ist die Zeit! 

Trink und küsse! Sieh, es ist 
heut Gelegenheit! 
Weißt du, wo du morgen bist? 
flüchtig ist die Zeit! 

Aufschub einer guten Tat 
hat schon oft gereut! 
Hurtig leben ist mein Rat - 
flüchtig ist die Zeit! 

Johann Wilhelm Ludwig Gleim, (1719 - 1803) 

Wasserrose 

Die stille Wasserrose 
Steigt aus dem blauen See, 
Die feuchten Blätter zittern, 
Der Kelch ist weiß wie Schnee. 

Da gießt der Mond vom Himmel 
All seinen goldnen Schein, 
Gießt alle seine Strahlen 
In ihren Schooß hinein. 

Im Wasser um die Blume 
Kreiset ein weißer Schwan; 
Er singt so süß, so leise, 
Und schaut die Blume an. 

Er singt so süß, so leise, 
Und will im Singen vergehn - 
O Blume, weiße Blume, 
Kannst du das Lied verstehn? 

Emanuel Geibel   1815-1884

Die wilde Rose

Da droben auf einsamer Höhe
Die wilde Rose blüht,
Und wer sie von Ferne gesehen,
In heißer Sehnsucht erglüht.

Zu ihr über Felsen und Klüfte
Ein kühner Jäger klimmt.
Schon ist er in nächster Nähe -
Das Auge in Thränen ihm schwimmt.

Er will sie erfassen und pflücken.
Da strauchelt jäh sein Fuß;
Des Abgrunds finstere Tiefe
Empfängt ihn mit kaltem Kuß.

Da droben auf einsamer Höhe
Die wilde Rose blüht,
Und wer sie von Ferne gesehen.
In heißer Sehnsucht erglüht. -

Louise Aston (1814-1871)

 

 

 

 



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