Trost

Tröste dich, die Stunden eilen,
Und was all dich drücken mag.
Auch das Schlimmste kann nicht weilen,
Und es kommt ein andrer Tag.

In dem ew'gen Kommen, Schwinden,
Wie der Schmerz liegt auch das Glück,
Und auch heitre Bilder finden
Ihren Weg zu dir zurück.

Harre, hoffe. Nicht vergebens
Zählest du der Stunden Schlag:
Wechsel ist das Los des Lebens,
Und - es kommt ein andrer Tag.

Theodor Fontane   1819-1898

Die Stunde

Du hast in einer Stunde
Mir soviel Glück gegeben,
Nie kann mein ganzes Leben
Glücklicher sein!

Ich will sie mir erhalten
In meiner Seele Grunde,
Wie einen edlen alten
Köstlichen Wein.

Einst in den bösen Tagen
Der Sorgen und Schmerzen
Hol ich herauf aus dem Herzen
Die Stunde mir.

Dann werd ich sie neu genießen
Und alles wird sie versüßen
Und mich berauschend tragen
Zurück zu dir.

A. de Nora (1864 - 1936) 

Alte Uhr

Ist eine alte Uhr in Prag,
Verrostet das Werk und der Stundenschlag,
Verstummt ihre Stimme im Munde;
Zeigt immer die gleiche Stunde.

Doch täglich einmal, so tot sie sei,
Schleicht zögernd die Zeit an der Uhr vorbei,
Dann zeigt sie die richtige Stunde,
Wie die Uhren all' in der Runde.

Es ist kein Werk so abgetan,
Kommt doch einmal seine Zeit heran,
Daß es sein Wirken bekunde,
Kommt doch seine richtige Stunde

Hugo Salus (1866 - 1929) 

Wie das eine glücklicheStunde war,
Voll Frohsinn, Kosen und Scherzen;
Und wie der Weise und wie der Narr
Mit fröhlich waren von Herzen!
Der Narr sprach lachend: »Ich hätte dich nicht
Für so närrisch gehalten!« – Und leise
Entgegnet der andere mit ernstem Gesicht:
»Und ich dich nicht für so weise!«

Albert Roderich (1846 - 1938) 

O trübe diese Tage nicht

O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.

Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag,
Dass so die Stunde wiederkehrt.

Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;

Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz,
O sorge, daß uns keine fehlt
Und gönn' uns jede Stunde ganz.

Theodor Fontane (1819 - 1898)

So wie es kam, so war es gut

Zur rechten Stunde strahlt die Sonne;
Zur rechten Zeit die Wolken ziehn.
Zur rechten Stunde kommt die Wonne;
Zur rechten Zeit die Freuden fliehn!
Was Dir die Zeit befiehlt, vollende
Mit Kraft und unverdross’nem Mut,
Und sieh, Du sprichst zuletzt, am Ende:
„So wie es kam, so war es gut!“

Friedrich Emil Rittershaus  1834-1897

Gloriola

Wir malten eine Sonnenuhr zum Spaß,
Als ich in Fuldas Klosterschule saß.
Ringsum ein Spruch gedankentief und fein
Und schlagend mußte nun ersonnen sein.

Herr Abbas sprach: "Zwei Worte sind gegönnt,
Ihr Schüler, sucht und eifert, ob ihr's könnt!"

Hell träumend ging ich um, mich mied der Schlaf,
Bis mich wie Blitzesstrahl das Rechte traf:

"Ultima latet." Stund um Stunde zeigt
Die Uhr, die doch die letzte dir verschweigt.

Herr Abbas sprach: "Das hast du klug gemacht.
Es ist antik und christlich ist's gedacht."

Manch Kränzlein hab' ich später noch erjagt,
Wie dieses erste hat mir keins behagt;

Denn Süßres gibt es auf der Erde nicht
Als ersten Ruhmes zartes Morgenlicht.

Meyer, Conrad Ferdinand (1825-1898)

Abschiedsworte an Pellka

Jetzt schlägt deine schlimmste Stunde,
Du Ungleichrunde,
Du Ausgekochte, du Zeitgeschälte,
Du Vielgequälte,
Du Gipfel meines Entzückens.
Jetzt kommt der Moment des Zerdrückens
Mit der Gabel! -- Sei stark!
Ich will auch Butter und Salz und Quark
Oder Kümmel, auch Leberwurst in dich stampfen.
Musst nicht so ängstlich dampfen.
Ich möchte dich doch noch einmal erfreun.
Soll ich Schnittlauch über dich streun?
Oder ist dir nach Hering zumut?
Du bist so ein rührend junges Blut. --
Deshalb schmeckst du besonders gut.
Wenn das auch egoistisch klingt,
So tröste dich damit, du wundervolle
Pellka, dass du eine Edelknolle
Warst, und dass dich ein Kenner verschlingt. 

Ringelnatz  1883-1934

Stoßseufzer

Stunden gehen, immer Stunden,
Wer hat doch die Qual erfunden?
An den Stuhl wie angebunden
Sitzt man, bis der Tag entschwunden.

In den Stunden, in den Stunden
Wird geplagt man und geschunden,
Und die einzigen, die uns munden,
Sind halt doch die Schäferstunden!

Peter Carl August Cornelius (1824 - 1874)

Wo war, wo ist, wo wird sie sein,
die Stunde, wahrem Glück erlesen?
Sie ist und sie wird nicht sein,
denn sie ist immer nur gewesen!
Daß wir glücklich waren,
wissen wir erst,
wenn wir es nimmer sind.

Anastasius Grün, (1808 - 1876)

Der Baum in der Wüste

Es steht ein Baum im Wüstensand,
Der einzige, der dort gedieh;
Die Sonne hat ihn fast verbrannt,
Der Regen tränkt den durst'gen nie.

In seiner falben Krone hängt
Gewürzig eine Frucht voll Saft,
Er hat sein Mark hinein gedrängt,
Sein Leben, seine höchste Kraft.

Die Stunde, wo sie, überschwer,
Zu Boden fallen muß, ist nah',
Es zieht kein Wanderer daher,
Und für ihn selbst ist sie nicht da.

Christian Friedrich Hebbel (1813 - 1863)

Verlerne das nie

Verlerne das nie:
dich nach der Arbeit auszurasten und auszuträumen!
Geh nicht auf im Erwerben,
im Abrackern von Körper und Geist.
Und wenn es nur Stunden der Muße sind,
wahre dir die Stunden,
da du in das Schöne,
das Große hineinsiehst,
das über uns allen im Lichte schwebt.
Jede solche Stunde,
innig genossen,
wird dir Kraft geben
für viele andere Stunden.

Ferdinand Ernst Albert Avenarius  1856-1923

Die Stunden, wo ein Leid dich plagt,
Wo scheu dein Herz das meine flieht,
Wo Schmerz dein liebes Herzlein nagt,
Wo Trennung unsre Pfade schied,
Die Stunden der Disharmonie,
Die zeige diese Uhr dir nie.

Die Stunden, wo die Freude sprießt,
Wo Gottes Segen dich entzückt,
Wo sich dein Herz an meines schließt
Und deine Liebe mich beglückt,
Wo sich erfüllt, was du gehofft,
Die Stunden zeige sie recht oft.

Anastasius Grün  1806-1876

Palmströms Uhr

Palmströms Uhr ist andrer Art,
reagiert mimsisc zart.

Wer sie bittet, wird empfangen.
Oft schon ist sie so gegangen,

wie man herzlich sie gebeten,
ist zurück- und vorgetreten,

eine Stunde, zwei, drei Stunden,
je nachdem sie mitempfunden.

Selbst als Uhr, mit ihren Zeiten,
will sie nicht Prinzipien reiten:

Zwar ein Werk wie allerwärts.
doch zugleich ein Werk – mit Herz.

Christian Morgenstern, (1871 - 1914)

 



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