Engel umschweben uns,
Wo wir auch gehn,
Engel umgeben uns,
Wie wir uns drehn.

Doch wir erkennen sie
Nicht in dem Licht,
Und zu benennen sie
Wissen wir nicht.

Selber zu blenden uns
Scheinet der Glanz,
Wir von ihm wenden uns
Halb oder ganz.

Aber nun haben wir
Engel ein Paar,
Denen ja gaben wir
Namen fürwahr.

Und nicht vergaßen wir:
Wirklich einmal
Selber besaßen wir
Leiblich den Strahl.

Sollten wir wenden uns
Ab von dem Glanz?
Sollten verblenden uns
Halb oder ganz?

Nein! wir erkennen euch
Freudig im Licht,
Und zu benennen euch
Zweifeln wir nicht.

Lächelnd ihr gebet uns
Wohl zu verstehn,
Dass ihr umschwebet uns

Wo wir auch gehn. (Friedrich Rückert, 1788-1866)

Wachende Augen für anderer Glück,
Fühlende Herzen für fremdes Geschick,
Schnelles Verständnis für Freude und Not,
Helfende Hände im Leben und Tod,
Liebe, die gern im Verborgenen geht,
Schweigende Opfer und stilles Gebet,
Leis wie die Engel und selten erkannt,
Fern von der Menge und niemals genannt,
Reich im Entsagen und dürftig im Lohn,
Friede im Auge und Freude im Ton,
Selig im Geben, doch selbst wünschelos,
Selbstlose Seelen – wie heilig, wie groß! 

Theresa Keiter (1859 – 1925)

 

Von Engeln und Bengeln

Im Frühling auf grünem Hügel
da saßen viel Engelein,
die putzten sich ihre Flügel
und spielten im Sonnenschein.

Da kamen Störche gezogen
und jeder sich eines nahm
und ist damit fortgeflogen,
bis dass er zu Menschen kam.

Und wo er anklopft bescheiden,
der kluge Adebar,
da war das Haus voller Freuden –
so geht es noch alle Jahr.

Joseph von Eichendorff  1788-1857

 

Leitung

Es wird ein Engel dir gesandt,
um dich durchs Leben zu begleiten.
Er nimmt dich liebend an der Hand
und bleibt bei dir zu allen Zeiten.
Er kennt den Weg, den du zu gehen hast,
und trägt mit dir der Erde Leid und Last.

Es wird ein Engel dir gesandt,
dem sollst du dich gern anvertrauen.
Auf ihn soll stets und unverwandt
das Auge deiner Seele schauen.
Er trägt zu deinem Schutz das Schwert des Herrn
und ist dir nie mit seiner Hülfe fern.

Es wird ein Engel dir gesandt,
dem sollst du niemals widerstreben,
Und hast du ihn vielleicht verkannt,
so zwing ihn nicht, dich aufzugeben,
Denn bautest du auf deine Kraft allein,
es würde nur zu deinem Unglück sein.

Karl May 1842-1912

Engellieder

Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen,
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, -
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt ...

Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten, -
denn er muss meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten -
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.

Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

Kinderglaube?

Ein Engel, hieß es, als wir Kinder waren,
ist unterwegs, der sammelt jeden Schmerz,
den bösen, ungerechten, unduldbaren,
und fliegt hinauf und rührt an Gottes Herz.

Und zu Musik wird einer Schande Name,
es trägt als Duft ihn jeder Wind,
und Traumgespiele, helle, wundersame,
gesellen sich dem Schmerzenskind.

Das plötzlich strahlt. Es sieht: die Himmel rüsten,
dem Qualverstummten Gottes Arm zu leihn…
Ach, wär es wahr, sagt, wieviel Engel müßten
da heute wohl auf allen Wegen sein!

René Schickele (1883 - 1940)

Weißt du es noch...

Weißt du es noch, das Sternenfunkeln,
Das an dem Maienabend war,
Als trüge Lilien aus dem Dunkeln
Der Engel unsichtbare Schar.

Weißt du es noch, wir sprachen leise
Und glücklich unser erstes Du -
Verklungen ist die fromme Weise,
Der nur die Engel hörten zu.

Und wenn wir heute uns begegnen,
So grüßen wir uns scheu und stumm. -
Die Engel, welche wollten segnen,
Die fragen leise sich: warum.

Anton Renk  1872-1906


 

Gottes Segen

Das Kind ruht aus vom Spielen,
am Fenster rauscht die Nacht,
die Engel Gottes im Kühlen
getreulich halten Wacht.

Am Bettlein still sie stehen,
der Morgen graut noch kaum.
Sie küssen’s eh sie gehen,
das Kindlein lacht im Traum.

Joseph von Eichendorff   1788-1857

Leise atmend, halb entschlummert
Liegt das Kind im Bettchen klein:
Plötzlich, durch das offne Fenster
Schaut der Abendstern herein.

Und nach ihm mit beiden Händen
Laut aufweinend langt das Kind:
"Mutter, Mutter! hol mir diesen
Schönen Stern herab geschwind!"

"Dummheit!" ruft der Vater zornig
Hinter einem Zeitungsblatt,
"Was der Fratz von dritthalb Jahren
Für verrückte Launen hat!

Denk mal: Dreißig Millionen
Meilen weg und ein Planet,
Der zweihundertvierundzwanzig
Tage um die Sonne geht!"

Doch die Mutter tröstet leise:
"Schlaf, mein Engel! Diese Nacht
Hol' ich dir den Stern vom Himmel,
Der dir so viel Freude macht;

Morgen früh, hier auf dem Bette
Findest du den Edelstein!" –
Und das Kind in Tränen lächelnd
Schläft am Mutterherzen ein.

Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (1812 - 1864

 

 

 



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