Herr Luchs spricht keinem Menschen
nach dem Mund,
und doch gelang es ihm,
so hoch zu steigen?
Ja, denn der Schalk versteht
die fein're Kunst,
den großen Herren
nach dem Mund zu schweigen.

Otto Ernst, (1862 - 1926)

Den Klugen erkennt man daran,
daß er den Mund rechtzeitig schließt.

Aus Pakistan

Küß mich auf den Mund mein Lieb,
Immer neue Küsse gib.
Welkt am Weinstock Blatt um Blatt,
Man den Most im Keller hat.

Ach, das Leben ist versüßt,
Dem der sich durch's Leben küßt.
Wer verkennt des Jahres Zweck,
Wem nur schenkt der Herbst den Dreck.

Liebste drück mir auf den Mund
Küsse wie die Blätter bunt,
Küsse wie der junge Most,
Und berauscht leb' ich getrost.

Max Dauthendey  1867 - 1918

Das Wort, das den Mund verlassen hat,
wächst auf seinem Wege.

Aus Norwegen

Des Lebens Freuden sind vergänglich.
Das Hühnerauge bleibt empfänglich,
wie dies sich äußert, ist bekannt,
krumm wird das Bein und krumm die Hand.
Die Augenlider schließen sich,
das linke ganz absonderlich.
Dagegen öffnet sich der Mund,
als wollt er flöten, spitz und rund.
Zwar hilft so eine Angstgebärde
nicht viel zur Linderung der Beschwerde.
Doch ist sie nötig jederzeit
zu des Beschauers Heiterkeit.

Wilhelm Busch, (1832 - 1908)



Ihr Mund

Ihr Mund ist schön. Nicht vieles auf der Welt

Ist schön wie dieser Mund, so völlig schön,

Daß ich ergriffen bin, denk ich daran.

Ihr Mund ist schön. Aus diesem Munde kann

Kein schlechtes Wort, kein böses Lachen wehn;

Von diesem Mund zu träumen ist schon Glück.

Ich werd ihn wiedersehn. Dann bin ich froh,

Wie nach dem Winter, wenn es Frühling ist:

Oh Leben, allerseligstes Geschenk!

Reinheit und Güte sind auf ihm gepaart,

Dort hat die kleinste Lüge keine Statt;

Mein höchster Eid ist Schwur bei ihrem Mund.

Wie glücklich bin ich! Stößt mich Gram und Leid,

So denk ich, wie sie schön ist, wie ihr Mund

Klar lächeln kann, und alles ist verscheucht.

Otto Julius Bierbaum 1865-1910

Das Ja-Wort

Der Gründer, wißt Ihr, strotzt von Geld,
Nun hört, ich thu Euch kund:
Der größte Gründer von der Welt
Das ist des Mädchens Mund.

Des Mädchens Mund ist fein und klein; –
Doch ob Ihr's glauben wollt,
Ein Wörtchen soll darinnen sein,
Das wiegt 'nen Centner Gold.

Ein wenig thut sich auf der Mund –
Wupp ist das Wörtchen da,
Und wer es fängt, der thut 'nen Fund,
Das Wörtchen das heißt "ja".

Ernst von Wildenbruch, (1845 - 1909)

Nach Jahren

Die Mutter lehnt am schattigen Thor,
Ihr blondes Töchterchen kniete davor,
Brach Rosen sich und Vergißmeinnicht,
Und küßt sie mit lachendem Angesicht:
»Ei! Mutter, bin ich so groß wie du,
Dann trag' ich dir Alles im Hause zu,
Dann heg' und pfleg' ich dich lieb und fein
Wie die Rosen und die Vergißnichtmein.« –

Und Jahre schwanden, – am schattigen Thor
Ragt höher und voller der Flieder empor!
Ein Mägdlein umfaßt des Geliebten Arm,
Es schlagen ihre Herzen so treu und warm,
Doch wie sie sich küßten auf Wang' und Mund,
Weinte das Mädchen aus Herzensgrund:
Denn die sie wollt' pflegen so lieb und fein,
Lag still unter Ros' und Vergißnichtmein.

Adolf Böttger, (1815 - 1870)

Gott gab uns nur einen Mund,
weil zwei Mäuler ungesund.
Mit dem einen Maule schon
schwätzt zu viel der Erdensohn.
Wenn er doppelmäulig wär,
fräß und lög er auch noch mehr.
Hat er jetzt das Maul voll Brei,
muß er schweigen unterdessen,
hätt er aber Mäuler zwei,
löge er sogar beim Fressen.

Heinrich Heine 1797-1856

Das Schwesterchen

Mein Gretchen ist so kugelrund
Und hat ein stumpfes Näschen
Und einen roten Kirschenmund
Und läuft als wie ein Häschen.

Und Locken hat es seidengleich
Und einen weißen Nacken
Und kleine Hände sammetweich
Und apfelrote Backen.

Nun lauf hinaus ins grüne Gras,
Du kleine, liebe Grete,
Doch fall mir nicht ins Regenfass
Und tritt nicht auf die Beete.

Und patsche mir ins Nasse nicht
Mit deinen kleinen Füßen,
Und wenn du Nachbars Katze siehst,
So sag, ich lass sie grüßen!

Heinrich Seidel (1842-1906)

Wie er wollte geküsset sein

Nirgends hin als auf den Mund:
Da sinkt's in des Herzens Grund;
Nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
Nicht mit gar zu fauler Zungen.

Nicht zuwenig, nicht zuviel:
Beides wird sonst Kinderspiel;
Nicht zu laut und nicht zu leise:
Bei dem Maß ist rechte Weise.

Nicht zu nahe, nicht zu weit:
Dies macht Kummer, jenes Leid;
Nicht zu trocken, nicht zu feuchte,
Wie Adonis Venus reichte.

Nicht zu harte, nicht zu weich,
Bald zugleich, bald nicht zugleich,
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
Nicht ohn Unterschied der Stelle.

Halb gebissen, halb gehaucht,
halb die Lippen eingetaucht,
Nicht ohn Unterschied der Zeiten,
Mehr alleine denn bei Leuten.

Küsse nun ein jedermann,
Wie er weiß, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,
Wie wir uns recht sollen küssen.

Paul Fleming (Flemming), (1609 - 1640)

Vom ersten Kuss

Der erste Kuss ist das Streifen der Lippen der Rose
mit den zarten Fingern der Brise, in der man die
Rose einen langen Seufzer der Erleichterung
und ein sanftes Stöhnen von sich geben hört.
Er ist die Vereinigung von zwei
parfümierten Blumen, damit ihre
vermischten Düfte die Bienen zum Honigsammeln rufen.

Khalil Gibran 1883-1931


 

 

 

 


 



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